Deutsch im Klassenraum SEO5 in der Jo-Mihaly-Mittelschule in Neufahrn, 25 erhitzte und wissbegierige Köpfe - ein Traum für jede Lehrkraft wie Deutschlehrerin Ines Johne-Heise. Seit Anfang Mai wird hier gebüffelt. Ein ganz normaler Schultag also, eine normale Klasse. Zumindest für die vhs, denn hier lernen Erwachsene. Dennoch ist diese Klasse etwas Besonderes: Im Klassenzimmer sitzen ukrainische Menschen, geflüchtet aus ihrem Land und ihrem Zuhause.
Da ist zum Beispiel Irina, 34 Jahre alt, sie berichtet auf Deutsch: Sie sei Apothekerin, spreche Ukrainisch, Russisch und auch schon etwas Deutsch, mit ihrem Kind wohnt sie nun in Mintraching, ist hier aber noch ohne Arbeit.
Zwei Bänke weiter sitzt Ana, 36 Jahre alt, bis vor wenigen Wochen arbeitete sie im Finanzamt in der Ukraine. Sie nimmt erst seit vier Wochen am Kurs teil, erzählt aber bereits auf Deutsch, dass sie nun mit ihren beiden Kindern in Neufahrn lebt.
Oder aber Jelena, deren Mann das Krankenhaus in Nikolajew leitet, in dem sie selber als Ärztin gearbeitet hat: Sie wollte eigentlich gar kein Deutsch lernen, sondern so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat, um zusammen mit ihrem Mann weiterzuarbeiten und zu helfen. Jetzt lebt sie in einem Zimmer bei hilfsbereiten Menschen. Ihr Mann hat berichtet, dass das Haus des Nachbarn, genau neben ihrem Haus, zerbombt wurde, er ist sofort hin gefahren um zu sehen, ob ihr Zuhause, mit dem Zimmer ihrer Tochter, noch steht.
Die Menschen, die hier lernen, haben viel verloren und können auch den Deutschkurs eigentlich nicht bezahlen. Ermöglicht hat das die finanzielle Hilfe des Neufahrner Flüchtlings-Unterstützerkreises durch Vermittlung von dessen Sprecherin Beate Frommhold-Buhl in Kooperation mit der vhs Neufahrn-Hallbergmoos. Alleine die Bücher haben fast 500 Euro gekostet.
Einige Schülerinnen dieser Klasse gehen auch in einen Kunstkurs. Hier wird bereits seit April gemalt. 17 Teilnehmende, die zunächst einfach nur einen Termin in der Woche benötigten, um Struktur in ihr Leben zu bringen, stehen hier vor ihrer Staffelei. Sie möchten diesen Kurs weiterhin besuchen, es tut ihnen gut, sich mal nicht mit den Nachrichten, den Bildern der Zerstörung ihrer Heimat zu beschäftigen. Zarte Schwertlilienbilder sind hier entstanden, einige davon hängen im Fenster der Neufahrner vhs. Auch hier sind es Spendengelder des Flüchtlings-Unterstützerkreises, die den Menschen unbeschwerte Stunden ermöglichen. Eine Gruppe, die sich neu gefunden hat und aufgrund der Tätigkeit wenigstens eine Weile weit weg ist vom Krieg und der kaum zu ertragenden Angst um ihre Männer, Väter und Brüder. Stunden, die Kraft geben.
Zusätzlich haben sich 14 Schüler und Schülerinnen auf unterschiedliche Deutschklassen verteilt.
Die Spendengelder des Neufahrner Unterstützerkreises sorgen dafür, dass sich die Menschen im Alltag in Deutschland zurechtfinden können. Er wäre sonst kaum zu bewältigen, denn die wenigsten Ukrainer sprechen Deutsch, oft sind auch die lateinischen Buchstaben nicht vertraut. Der Krieg lässt die Menschen in einem fremden Land auch noch sprachlos zurück. Wichtig ist, so Irina: „Dass ich ohne ständige Hilfe in Erfahrung bringen kann, wann Schulbeginn für mein Kind ist, ich ein Brot beim Bäcker kaufen und hoffentlich bald arbeiten kann.“