Einmal im Monat lädt Katharina Maas, Dozentin an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Freising und Referentin für philosophische Bildung, Kinder von fünf bis acht Jahren in die Stadtbibliothek ein, um zu „philosophieren“. Dieses Mal ging’s um das Wählen – und 13 Kinder hatten konkrete Vorstellungen wie gewählt werden soll, wer gewählt werden kann und wen sie wählen würden.
„Aus meiner Sicht sind Kinder so klug wie Erwachsene. Mein Ziel ist es daher, dass sie von frühester Kindheit an selber denken“, sagt Maas. Ihr geht es nicht darum, dass am Ende einer recht hat oder die anderen überzeugt, sondern dass die Kinder diskutieren, zuhören, formulieren und andere Meinungen akzeptieren lernen. Bevor es losgeht bespricht sie mit den Kindern, von denen mehrere schon einige Male bei der philosophischen Runde dabei waren, die Regeln: Es gibt kein richtig oder falsch, wenn man anderer Meinung ist, bleibt man trotzdem sitzen, es spricht nur der, der den Wuschelball hat, man lässt jeden aussprechen, keiner muss etwas sagen, man darf auch schweigen. Diese Regeln hat zwar Maas aufgestellt, doch reihum werden sie von den Kindern selbst aufgezählt. Da spielt es auch keine Rolle, dass Maria ihren Kuschelhasen die ganze Zeit eng umschlingt, Petra nicht ohne ihre Mama da sein möchte und Elias und Jochen gar nichts sagen.
Zunächst liest Maas das große Bilderbuch „Im Dschungel wird gewählt“ vor. Darin baut sich der Löwe einen großen Swimmingpool für sich alleine, darüber ärgern sich die anderen Tiere des Urwalds und fragen sich, ob der Löwe tatsächlich der König der Tiere ist oder ob sie nicht gemeinsam einen neuen Chef wählen sollten. Nun sind die Freisinger Kinder an der Reihe und sollen ihre Meinung dazu kundtun - und es ist faszinierend als Erwachsener, wie sie argumentieren: Der Löwe ist nicht der Chef, alle Tiere sind gleichberechtigt. Jedes Tier hat eine Stimme, die gleich viel zählt. Jedes Jahr im Frühjahr wird neu gewählt. Die Wahl ist geheim. Man darf keine anderen Tiere bestechen mit Geschenken. Die Gegner dürfen auf keinen Fall aufgefressen werden. Als sich Affe, Schlange, Faultier und Löwe zur Wahl aufstellen lassen und ihre Wahlversprechen verkünden, steht für fast alle Kinder sofort fest: das Faultier ist am nettesten und bei ihm dürfen alle anderen Tiere mitbestimmen, das gewinnt.
Dann fragt Katharina Maas die Kinder noch, was sie machen würden, wenn sie selbst König des Urwalds wären. Auch hier sind die Antworten der Fünf- bis Achtjährigen erstaunlich: Nett zu den anderen sein, zuhören und andere Meinungen gelten lassen. Die Umwelt viel besser schützen. Teilen mit denen, die weniger haben. Wer in Not ist, der darf rein in den Dschungel. Wir müssen aufeinander achten und gegenseitig helfen. Auch wer Mal etwas Böses gemacht hat, bekommt eine zweite Chance. Es darf keine Kriege geben.
Wie sang schon vor Jahrzehnten Herbert Grönemeyer: Kinder an die Macht.