Der erste Monat mit dem deutschlandweit gültigen 9-Euro-Ticket ist bereits fast vorüber und das ganz große Bahn-Chaos ist scheinbar in weiten Teilen ausgeblieben. Erklärtes Ziel der bundesweiten Rabattaktion ist, die Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen. Diese Absicht scheint bisher aufzugehen, denn das Rabattticket ist ein echter Verkaufsschlager: Eine interne Hochrechnung der Deutschen Bahn zeigt nach den Pfingstferien eine Erhöhung des Fahrgastaufkommens in Regional- und S-Bahnen um 25 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Insgesamt sind demnach etwa zehn Prozent mehr Reisende mit der Bahn unterwegs als noch vor der Corona-Pandemie. 16 Millionen dieser Tickets wurden bis Mitte Juni verkauft, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mitteilt. Hinzu kommen noch die 10 Millionen Abonnenten. Dieser Wert dürfte sich womöglich noch steigern, denn demnächst starten die ersten Bundesländer bereits in die Sommerferien. Ein weiterer positiver Effekt: Auch die Prüfdienste dürften im Sommer deutlich weniger Arbeit mit Schwarzfahrern haben. So war laut Medienberichten vom Prüfdienst aus Berlin zu vernehmen, dass "noch nie so viele Fahrgäste mit gültigem Ticket unterwegs waren wie derzeit".
Die beliebten "Touri-Strecken" ins bayerische Oberland waren an den Pfingstfeiertagen und bei sommerlichem Ausflugswetter freilich gut besucht, dennoch lief der Verkehr soweit ohne drastische Störungen, wenn man von dem furchtbaren Zugunglück bei Garmisch absieht. Nach Angaben der Bahn werden auf touristischen Strecken 50 zusätzliche Züge eingesetzt. Das trage dazu bei, dass der Verkehr stabil laufe, heißt es von der DB. Die zusätzlichen Züge entsprächen etwa 250 Fahrten am Tag. Wer an schönen Sommerwochenenden mit den Öffentlichen etwa an den Tegernsee fahren will, sollte natürlich versuchen ziemlich zeitig oder halt erst deutlich später zu starten. Wer samstags um 9 oder 10 Uhr an der Donnersberger Brücke für seine 10 Mann-Gruppe einen Sitzplatz sucht, sollte sich nicht wundern, die ganze Fahrt stehen zu müssen. Dafür kann man mit der Zug-Anreise spannende Überschreitungen und Streckenwanderungen unternehmen, die man mit einer Auto-Anreise so nicht machen könnte. Rad-Ausflüger sollten ihre Tourenplanung nach Möglichkeit auf einen Wochentag legen, da die Radabstellplätze in den Zügen natürlich begrenzt sind. Apropos Fahrrad. Diese können natürlich nicht kostenfrei mitgenommen werden. Wer das Rad mit in einen Zug nehmen möchte, muss ganz regulär einen Fahrrad-Fahrschein kaufen. Sollte ein Zug zu voll sein (wie eventuell am Samstagmorgen der Zug zum Tegernsee), muss das Rad leider draußen bleiben. Denn es besteht kein Beförderungsrecht bei Überfüllung. Auch größere Hunde brauchen übrigens ein Extraticket und dürfen nicht mit Herrchen für 9 Euro durch die Republik fahren. Katzen wiederum dürfen kostenfrei mit. Kinder bis 6 Jahren natürlich auch.
Freilich müssen es auch nicht immer Schliersee, Tegernsee oder Kochel- oder Walchensee sein. Allen, die sich lieber abseits der bekannten touristischen Pfade bewegen, bietet die Webseite www.geheimatorte.de mit fast 100 eher unbekannten Ausflugszielen im Großraum München Inspiration. Alle Ausflugsziele – egal ob in der Stadt oder auf dem Land – können unkompliziert mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden. Die Reisevorschläge von Ingolstadt bis Berchtesgaden und Landberg/Lech bis Burghausen sind in verschiedene Kategorien wie Radeln, Wandern oder Kultur unterteilt und mit detaillierten Beschreibungen und Tipps versehen. Für eine einfache Anfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sind die Beiträge direkt mit dem Bayernfahrplan verknüpft. Das 9-Euro-Ticket bietet hier sicherlich Anreize mal eine vielleicht unbekanntere Region zu erkunden.
Das 9-Euro-Ticket ist übrigens sogar grenzübergreifend gültig. Die Fahrt von München zur Festung nach Kufstein oder zu Mozart nach Salzburg mit der BRB ist kein Problem. Wer einfach nur im Zug die Landschaft an sich vorbeiziehen lassen möchte, dem sei die Fahrt nach "Bayrisch Sibirien" empfohlen. Mit der Alex-Länderbahn reist man von der Landeshauptstadt, ohne umzusteigen, bis nach Hof. Für die 315 Kilometer kann man sich ca. dreieinhalb Stunden der Landschaft oder etwas spannenden zum Lesen widmen. Einen Sitzplatz wird man wahrscheinlich auch finden. Wen es noch weiter nach Norden zieht und etwa mit den Punkern auf Sylt mit Dosenbier anstoßen möchte, muss 15,5 Stunden für die Anreise einplanen. Da braucht's einiges an Sitzfleisch und Nerven, wenn etwa der Anschlusszug aufgrund von Verspätung doch nicht erreicht werden sollte. Dann vielleicht doch lieber auf nach Hof. Stefan Dohl