Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl an Insekten immer mehr ab: Stuben- und Stallfliegen, Stechmücken, Heuschrecken oder Wildbienen gibt es immer weniger. Da sie die Hauptnahrung für Vögel sind, sterben auch diese. Spatzen und Schwalben, früher in jedem Garten vielfach zu Hause, findet man kaum noch. Schuld daran sind laut Hopfenbauer Georg Brunner aus Rudelzhausen eben nicht, wie häufig behauptet, die Landwirte mit ihren Spritzmitteln, sondern der drastische Rückgang an Bauernhöfen und der Viehhaltung.
Georg Brunner ist Landwirt, Gemeinderat und Umweltreferent in Rudelzhausen. Er ist aktives Mitglied beim Bund Naturschutz, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen, dass es auf seinem Hof – ganz im Gegensatz zu seiner Jugend – so gut wie keine Schwalben mehr gibt, „auch die Stuben- und Stallfliege, die wir früher in riesigen Schwärmen im Stall wie auch im Haus hatten, gibt es fast gar nicht mehr.“ Brunner versuchte, dem auf den Grund zu gehen. „Im Jahr 2016 wurde die sogenannte ‚Krefelder Studie‘ veröffentlicht. Sie untersuchte mehrere Naturschutzgebiete über 15 Jahre hinweg und wies nach, dass die Biomasse an Insekten deutlich geschrumpft ist, vor allem seit der Jahrtausendwende war dieser Rückgang dramatisch.“ Die Forscher und Biologen kamen zu dem Ergebnis, dass etwa zeitgleich mit dem Verschwinden der Insekten ein neuartiges Insektizid, ein „Neonicotinoid“ auf dem Markt gekommen war, ursprünglich als Anti-Läuse-Mittel eingesetzt, später gegen viele Schädlinge. „Die Landwirte waren damit hochzufrieden, weil es Schädlinge gezielt vernichtete. Doch die Wissenschaftler waren der festen Überzeugung, dass dieses Gift alle Insekten tötet.“ Im Jahr 2019 wurden die Neonicotinoide in Deutschland verboten. Ähnlich sieht Brunner das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat – entwickelt als Rohrreiniger -, „wir Landwirte konnten es gezielt einsetzen und es hat den Insekten nicht geschadet, trotzdem wurde es verboten.“ Doch der Rückgang an Insekten wurde durch die Verbote nicht gestoppt – „also muss der Grund ein anderer sein“, ist Brunner überzeugt.
Brunner nimmt als Beispiel seinen eigenen Heimatort Rudelzhausen, ganz im Norden des Landkreises Freising. Vor etwa 50, 60 Jahren war Rudelzhausen noch ein richtiges Bauerndorf, gab es 100 Landwirte mit Kühen, Schweinen, Hühnern oder Gänsen. Jeder hatte dafür Ställe und jeder hatte einen großen Misthaufen im Hof. Jeder Bauernhof war ein Biotop, ein ideales Gebiet für Ratten und Mäuse, Hühner, Insekten aller Art und eben auch Vögel, die im heimischen Stall immer genügend Futter und einen gedeckten Tisch fanden. „Heute haben wir in Rudelzhausen noch drei Höfe mit Viehhaltung und jedes Jahr, in dem wieder einer aufgab, wurden die Stall- und Stubenfliegen, aber damit auch die Schwalben, Spatzen, Amseln oder Goldammern immer weniger. Heute sind sie fast überall verschwunden.“
Für Brunner hängt das Sterben der Landwirte, die Unmengen von Vorschriften für die Bauern und das Artensterben, von Insekten bis zu den Vögeln direkt zusammen. „Trotz der vielen Auflagen beim chemischen Pflanzenschutz, der Düngung und Ackernutzung, trotz der extremen Hygiene-Vorschriften, schreitet der Artenschwund unaufhaltsam fort.“ Brunner macht für die Entwicklung eine problematische Agrar- und Gesundheitspolitik verantwortlich. Das „Wachsen oder Weichen“ des Bauernverbandes gehe weiter. „Wir brauchen wieder mehr Festmist als Gülle, mehr Ställe mit Weidehaltung - ohne sie kann die Fliege nicht gedeihen.“ Das Sterben der Insekten und Vögel ist für Brunner nur der Anfang, „denn in der Natur hängt alles mit allem zusammen.“